Assembly (Concrete Erudition)

Agency

1992-

thing 000813 (Pretty Woman)

Im Jahr 1964 veröffentlichten Roy Orbison und William Dees den Song Oh, Pretty Woman. Der Text des Liedes erzählt die Geschichte eines Mannes, der eine hübsche Frau vorbeigehen sieht. Die Platte verkaufte sich schließlich sieben Millionen Mal und wurde zu einem Klassiker der Popmusik. Die Urheberrechte des Songs wurden an Acuff-Rose Music übertragen. Am 7. Februar 1989 veröffentlichten Luther Campbell, Christopher Wongwon, Mark Ross und David Hobbs, bekannt unter dem Namen 2 Live Crew, ihr drittes Album As Nasty As They Wanna Be. 2 Live Crew war eine für ihre sexuell expliziten Rap-Texte bekannte Hip-Hop-Gruppe aus Miami, Florida. Am 15. Juni erschien unter dem Titel As Clean As They Wanna Be eine ?saubere? Version, die auch als Compact Disk herauskam und statt der ursprünglichen 18 nur 10 Titel enthielt, darunter allerdings im Unterschied zum ursprünglichen Album auf der B-Seite nach Me So Horny und vor My Seven Bizzos den Song Pretty Woman. Das CD-Cover und die CD selbst geben Orbison und Dees als Autoren von Oh, Pretty Woman und Acuff-Rose als Herausgeber an.Am 5. Juli 1989 wandte sich die Managerin von 2 Live Crew, Linda Fine, in einem Schreiben an Gary Teifer von Opryland und Acuff-Rose. Sie informierte Teifer, dass 2 Live Crew Oh, Pretty Woman parodieren wolle. Teifer antwortete am 17. Juli: Er lehnte die Lizenzanfrage ab und teilte Fine mit, dass ?wir die Nutzung einer Parodie von Oh, Pretty Woman nicht erlauben können?. Am 18. Juni 1990, nachdem fast eine Viertelmillion Tonträger von As Clean As They Wanna Be mit der Aufnahme von Pretty Woman verkauft worden waren, verklagte Acuff-Rose 2 Live Crew und ihre Plattenfirma Luke Skyywalker Records wegen Urheberrechtsverletzung. 2 Live Crew argumentierte, dass es sich bei Pretty Woman um eine Parodie handle, die unter die Kategorie ?Fair Use? falle, also eine angemessene Nutzung darstelle. Am 14. Januar 1991 fand vor dem US-Bezirksgericht Tennessee in Nashville der Prozess Acuff-Rose Music gegen Campbell statt. Richter Thomas Wisemans Entscheidung lautete folgermaßen:

Fair Use. [...] 1. Zweck und Charakter der Nutzung. [...] Es ist offensichtlich, dass der Song von 2 Live Crew auf einem kommerziell vertriebenen Plattenalbum enthalten ist, das zum Zweck der Gewinnerzielung verkauft wird. [...] Außer Zweifel steht auch, dass 2 Live Crew die Originalversion Oh, Pretty Woman parodieren wollte. [...] Aus dem Vergleich der beiden Songs und den dem Gericht vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen geht hervor, dass 2 Live Crew eine komische Parodie von Oh, Pretty Woman geschaffen hat. Thema, Inhalt und Stil der neuen Version unterscheiden sich vom Original. [...] Die Parodie verwendet auch eine Reihe von musikalischen Mitteln, die das Original übertreiben und dazu beitragen, eine komische Wirkung zu erzielen. [...] 2. Art des urheberrechtlich geschützten Werks. [...] Der Umstand, dass Oh, Pretty Woman ein veröffentlichtes Werk kreativen Ursprungs ist, spricht für [Acuff-Rose Music]. [...] 3. Umfang des Zitats. [...] Was diesen Punkt angeht, hat 2 Live Crew nicht so viel von Oh, Pretty Woman imitiert, dass das gegen das Kriterium der Wesentlichkeit verstoßen würde. [...] in Anbetracht der relativen Kürze der Imitation ist festzuhalten, dass sich die Gruppe 2 Live Crew nicht mehr vom Original aneignet, als notwendig ist, um ihren parodistischen Zweck angemessen zu erfüllen. [...] 4. Auswirkung auf den Markt. [...] [Es] ist äußerst unwahrscheinlich, dass der Song von 2 Live Crew den Markt für das Original nachteilig beeinflussen kann. Das Zielpublikum für die beiden Songs ist ein völlig anderes. [...] Nach Abwägung der vier Kriterien von § 107 entscheidet das Gericht, dass diese für [Campbell] sprechen.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Interpretation von Pretty Woman durch 2 Live Crew als eine Parodie von Oh, Pretty Woman anzusehen sei und einen Fall von Fair Use darstelle. Acuff-Rose legte Berufung ein. Am 17. August 1992 kam der Fall Acuff-Rose Music gegen Campbell vor das Berufungsgericht. Richter Charles Joiner urteilte folgendermaßen:

Das weitere Verfahren dient der Feststellung, ob die Kriterien von § 107 von Fair Use zu sprechen erlauben. Zweck und Charakter der Nutzung. [...] In Anbetracht der Analyse von Zweck und Charakter der Nutzung des urheberrechtlich geschützten Songs durch 2 Live Crew erfordern die Fakten in den Unterlagen, dass wir von einer unlauteren Nutzung ausgehen. [...] Obwohl wir in diesem Fall den Entscheid des Bezirksgerichts, dass der Song von 2 Live Crew eine Kritik in der Art einer Parodie im populären Sinn ist, nicht aufheben, finden wir dennoch, dass das Bezirksgericht in seinem Urteil, dass die Kritik eine angemessene Nutzung des urheberrechtlich geschützten Werks darstellt, geirrt hat. Wir finden, dass die zugegebenermaßen kommerzielle Natur des übernommenen Werks ? dem Wortlaut des Gesetzes zufolge ist der Zweck des Werks nicht weniger wichtig als sein Charakter ? zu dem Schluss führen muss, dass das erste Kriterium gegen eine Feststellung von Fair Use spricht. [...] Natur des urheberrechtlich geschützten Werks. [...] Der Rang von Oh, Pretty Woman als kreatives Werk wird nicht bestritten. [...] In diesem Punkt stützt die Aktenlage eine Entscheidung zugunsten von Acuff-Rose in umfassender Weise. [...] Genutzter Teil. [...] Der Musikwissenschaftler von Acuff-Rose hat festgestellt, dass das Riff wahrscheinlich aus dem Original gesampelt, also einfach eins zu eins aufgenommen und dann mit den Ergänzungen von 2 Live Crew gemischt wurde. [...] Wir entscheiden daher, dass das Herzstück des Originals zu nehmen und es zum Herzstück eines neuen Werks zu machen als Diebstahl eines elementaren Teils der Wesens des Originals anzusehen ist. [...] Auswirkung auf den potenziellen Markt. [...] Im vorliegenden Fall ist die Nutzung des urheberrechtlich geschützten Werks vollständig kommerziell, sodass wir davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Schadens für Acuff-Rose besteht.

Das Gericht hob das Urteil auf, verwies es zurück und kam zu dem Schluss, dass das Bezirksgericht Campbell fälschlicherweise ein Urteil im summarischen Verfahren zugestanden hatte. Die vier Kriterien würden keine Entscheidung im Sinne von Fair Use stützen. Campbell legte Berufung ein. Am 7. März 1994 wurde der Fall Acuff-Rose Music gegen Campbell vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten verhandelt. Richter David Souter entschied wie folgt:

Wir sind zu entscheiden aufgerufen, ob die kommerzielle Parodie von Roy Orbisons Song Oh, Pretty Woman durch 2 Live Crew als Fair Use anzusehen ist. [...] Da wir der Meinung sind, dass der kommerzielle Charakter einer Parodie nur ein Kriterium ist, das bei der Beurteilung angemessener Nutzung abzuwägen ist und dass die Art der Parodie bei der Beurteilung des Grades der Imitation nicht ausreichend berücksichtigt wurde, heben wir die Entscheidung auf und verweisen sie zurück.

Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass der kommerzielle Charakter der Parodie des Songs die Annahme einer unlauteren Nutzung nicht zulässt.